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Freiburger Geographische Hefte, Heft 68

Philipp Weckenbrock (2011): Making a virtue of necessity - wastewater irrigation in a periurban area near Faisalabad, Pakistan A GIS based analysis of long-term effects on agriculture

Zusammenfassung

Angesichts einer stark wachsenden Weltbevölkerung besonders in den sogenannten Entwicklungsländern wird sich der bereits jetzt bestehende Druck auf die vorhandenen Süßwasserressourcen in Zukunft noch erhöhen. Insbesondere in der Landwirtschaft, dem Sektor mit dem höchsten Wasserbedarf, wird Wasserknappheit zunehmend zu einem Problem. Gleichzeitig bringen rapide voranschreitende Urbanisierungsprozesse ständig steigende Mengen von Abwasser mit sich, welche insbesondere in Ländern des Südens oft nicht oder nur unzureichend geklärt werden können. Am Rande vieler Städte machen Bauern aus der Not eine Tugend, indem sie ungeklärte Abwässer zur Bewässerung ihrer Felder verwenden. Während viele Wissenschaftler, Politiker und Planer nach wie vor besonders die Gesundheits- und Umweltrisiken dieser Art der Bewässerung wahrnehmen, wurden in jüngerer Zeit in zunehmendem Maße auch positive Aspekte und Potentiale von Abwasserbewässerung erkannt. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass sich die Forschung zu dem Thema von einem anfangs recht einseitigen Fokus auf Gesundheitsprobleme in den letzten Jahren diversifiziert hat und vermehrt auch die Chancen von Abwasserbewässerung untersucht. Nach wie vor gibt es jedoch nur relativ wenig wissenschaftliche Erkenntnis über Auswirkungen langfristiger Abwasserbewässerung auf die Landwirtschaft.

Für die vorliegende Fallstudie aus einem periurbanen Gebiet der pakistanischen Millionenstadt Faisalabad konnten neben Informationen aus Gruppen- und Einzelinterviews sowie Kartierungen zeitlich und räumlich hoch aufgelöste Landnutzungsdaten einer Steuerbehörde verwendet werden, die bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück reichen. Für die Untersuchung wurden Methoden entwickelt, um diese Daten, welche für weite Teile Pakistans zur Verfügung stehen, für Analysezwecke aufzubereiten. Insbesondere die Überführung dieses analogen GIS in ein digitales GIS eröffnet vielfältige Möglichkeiten für Langzeitstudien, welche bisher noch nicht für veröffentlichte wissenschaftliche Studien genutzt wurden. Der Interessensschwerpunkt dieser Studie liegt auf Auswirkungen langfristiger Abwasserbewässerung auf ökologische und wirtschaftliche Aspekte landwirtschaftlicher Nachhaltigkeit im Untersuchungsgebiet.

Als Vergleich zur nahezu ausschließlich mit Abwasser bewässerten Landwirtschaft im Dorf Chakera dient die vorwiegend grundwasserbewässerte Landwirtschaft im Nachbardorf Kehala. Seit den Bauern in Chakera eine unbegrenzte Menge unbehandelten Abwassers zur Verfügung steht, können sie auch die heiße, trockene Sommersaison als vollwertige Anbausaison nutzen. Damit konnte in Chakera kurz nach der Jahrtausendwende innerhalb weniger Jahre eine Verdoppelung des Verhältnisses von landwirtschaftlich genutzter zu brach liegender Fläche erreicht werden. Seitdem ist dieser Aspekt landwirtschaftlicher Intensität in Chakera zum ersten Mal in den letzten Jahrzehnten höher als in Kehala. Auch in Bezug auf wirtschaftliche Aspekte haben die Bauern in Chakera durch das verfügbare Abwasser einen Vorteil gegenüber den Bauern von Kehala. Letztere zahlen bis zu 20fach höhere Preise für Grundwasser als die Bauern in Chakera für Abwasser. Des Weiteren konnten in den abwasserbewässerten Gebieten in den letzten Jahren höhere Preise pro Fläche für landwirtschaftliche Produkte als in den Vergleichsgebieten ohne Abwasserbewässerung erzielt werden, was zum einen an der Intensivierung des Anbaus und zum anderen an einem Trend zu hochwertigen Anbauprodukten wie Gemüse lag. Bezüglich der Arten- und Sortenvielfalt von Anbaupflanzen wiesen abwasserbewässerte Felder – im Gegensatz zu in wissenschaftlichen Veröffentlichungen geäußerten Vermutungen – im Allgemeinen höhere Werte auf als Felder, die nicht mit Abwasser bewässert wurden.
Somit wurden in dieser Studie, entgegen ursprünglicher Erwartungen, positive Auswirkungen auch langfristiger Abwasserbewässerung auf Aspekte der wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit der Landwirtschaft im Untersuchungsgebiet nachgewiesen. Dies deckt sich mit der auf jahrzehntelangen Erfahrungen basierenden überwiegend positiven Bewertung der Abwasserbewässerung durch die befragten Bauern in Chakera.