Freiburger Geographische Hefte, Heft 53
Zusammenfassung
Die Beobachtung und Analyse ostpatagonischer Landschaften ist aufgrund ihrer weiträumigen Erstreckung und abgeschiedenen Lage im südamerikanischen Kontinent vor allem in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts vernachlässigt worden. Die Einführung der extensiven, stationären Schafweidewirtschaft Ende des letzten Jahrhunderts hat in Ostpatagonien weitreichende Folgen für das durch die Variabilität seiner Geofaktoren gekennzeichnete Ökosystem gehabt. Erste Degradationsschäden des Bodens und der Vegetation wurden als Folge des anthropogenen Eingriffs Mitte des Jahrhunderts erstmals beschrieben. Eine Inventur von Vegetation, Klima, Relief und Böden fand nach den bisherigen Erkenntnissen nur für kleinräumige Gebiete (einzelne Ökotope) statt.
In der vorliegenden Arbeit wurde die Verwendung zweier Satellitensysteme (Landsat TM und ERS-1) unterschiedlicher spektraler Dimension zur Bearbeitung landschaftsökologischer Fragestellungen am Beispiel des Untersuchungsgebietes Rio Gallegos analysiert.
Die topologische Dimension landschaftsökologischer Untersuchungen konnte durch die Erhebung der Vegetation und Degradation der Bodenarten und geomorphologischer Kleinformen während der beiden Geländeaufenthalte 1993 und 1994 erarbeitet werden. Die Ableitung verschiedener Degradationsstufen für die südostpatagonische Grassteppe im Untersuchungsgebiet ermöglicht eine Einordnung und qualitative Bewertung der verschiedenen Vegetationsgesellschaften.
Die regionale Dimension landschaftsökologischer Untersuchungen in der Fernerkundung wurde durch die visuelle Interpretation und digitale Analyse der Landsat TM Daten erarbeitet. Die visuelle Interpretation der Landsat TM Daten führte zu einer Abgrenzung von Landschaftseinheiten im Bereich des Untersuchungsgebietes Rio Gallegos. Die thematische Karte der Landschaftseinheiten (Beilage 4) enthält neben den Grenzen der Landschaftseinheiten die Infrastruktur und das hydrologische System des Untersuchungsgebietes. Die digitale Analyse der multispektralen Satellitenbilddaten führte über die Erstellung einer überwachten Klassifikation mit dem Maximum-Likelhood Algorithmus zu einer quantitativen Aussage über die Ausdehnung und Verteilung von Vegetationseinheiten und Degradationsstufen im Untersuchungsgebiet. Zur Optimierung der Klassifizierungsergebnisse wurden neben der Verifizierung der ersten Klassifikation im Gelände (1994) verschiedene Datentransformationen durchgeführt, um die optimale Klassifizierungsgrundlage zu gewährleisten. Die räumliche Verteilung wird durch die Karte der Vegetationseinheiten und Degradationsstufen im Maßstab 1:250.000 dargestellt.
Die Darstellung des Interpretations- und Analyseergebnisses der Landsat TM Daten in Form von Karten bewirkt in Verbindung mit topographischen Informationen eine anwendungsbezogene Auswertung der Bildinhalte. Dieses Ergebnis der Nutzung fernerkundlicher Untersuchungsmethoden im Testgebiet Rio Gallegos kann als Grundlage zur Planung ländlicher Regionalentwicklung durch aktuelle Raumdaten dienen.
Neben der operationellen Anwendung der optischen Satellitenbilddaten zur landschaftsökologischen Untersuchung dieses südostpatagonischen Landschaftsraums wurde die anwendungsbezogene Eignung von ERS-1 Radardaten hinsichtlich der Erfassung und der Überwachung von Vegetationseinheiten und Degradationsstadien überprüft. Im Vordergrund stand hierbei die Frage, ob und inwieweit die abbildenden Daten des ERS-1 Systems zur Erfassung zeitlicher Veränderungen verwendet werden können. Es standen vier multitemporale Datensätze vom Zeitraum Oktober 1991 bis Februar 1994 zur Verfügung.
Die Analyse der objektspezifischen Parameter (Pflanzenwassergehalt dominanter Arten, Oberflächenrauhigkeit und Geometrie) der Steppenvegetation auf das Rückstreusignal während der verschiedenen Zeitpunkte zeigte für vereinzelte Vegetationseinheiten ein spezifisches Verhalten. Vor allem in der multitemporalen Darstellung der Datensätze konnten so visuell Vegetationseinheiten bzw. Degradationsstufen abgegrenzt werden. Die digitale und flächendeckende Analyse ist jedoch verbesserungsbedürftig. Im Gegensatz dazu eignen sich monotemporale Daten unter Verwendung der derzeit zur Verfügung stehenden Klassifizierungsalgorithmen nicht zur Abgrenzung und folglich auch nicht zum Monitoring von Vegetationseinheiten und Degradationsstufen in der Grassteppe. Die Verwendung und Interpretation der ERS-1 Daten zeigte eine starke Empfindlichkeit der Radarrückstreuung gegenüber zeitlich variierenden Ereignissen. Daher ist eine Auswahl der zur Analyse geeigneten Daten unter Berücksichtigung der meteorologischen Situation notwendig. Es konnte nachgewiesen werden, daß zur eindeutigen Kalibrierung der ERS-1 Signale in einer Grassteppe zum jetzigen Zeitpunkt eine Synchronisierung der Geländearbeiten mit der Datenaufnahme und eine Ausweitung der geländekundlichen Arbeiten angestrebt werden muß. Für die landschafts-ökologische Arbeit mit Radardaten wurde auf den Erfahrungen dieser Untersuchung aufbauend ein allgemeines Arbeitsschema aufgestellt. Die Entwicklung von ökosystemspezifischen Radarrückstreumodellen und von umgebungsbezogenen Algorithmen zur digitalen Klassifizierung kann die Eignungsfähigkeit von Radardaten zum Monitoring dynamischer Prozesse weiter verbessern. Unter der Voraussetzung, daß eine Quantifizierung von Vegetationseinheiten und Degradationsstufen mit Hilfe optischer Satellitenbilddaten durchgeführt wird und eine einmalige Ausweitung der geländekundlichen Arbeiten zur Kalibrierung der Radardaten in langfristige, kontinuierliche Arbeiten stattfindet, ist ein Monitoring dynamischer Prozesse in der südostpatagonischen Grassteppe mit ERS-1 Daten durchführbar.
Die geographische fernerkundliche Forschung ist bestrebt, einen angemessenen Beitrag zu den weltweit stattfindenden Anstrengungen zur Erforschung der globalen ökologischen Zusammenhänge zu leisten. Landschaftsökologische Untersuchungen werden häufig großmaßstäbig durchgeführt. Die Methoden der Fernerkundung können zur Rationalisierung von flächenhaften Aufnahmen verschiedenartiger Größen eingesetzt werden, die sonst nur mit einem aufwendigen, engmaschigen Dauermeßnetz erfaßt werden können. Eine Überwachung der dynamischen Prozesse der Land- und Wasseroberflächen und ihrer komplexen Wechselwirkungen ("Global Change" Anwendungen) ist nur bei einem kontinuierlichen Datenfluß zu bewältigen. Die Mikrowellenfernerkundung besitzt in diesem Zusammenhang große Bedeutung, da nur sie aufgrund der Wetter- und Beleuchtungsunabhängigkeit in der Lage ist, diesen zu gewährleisten.