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Freiburger Geographische Hefte, Heft 58

Bernd Triebfürst (2000): Entwicklung waveletbasierter Kompressionsverfahren für Fernerkundungsdaten und deren Einsatz in einem Geographischen Informationssystem

Zusammenfassung

Schnell wachsende Bestände digitaler Flächendaten - neue Satellitensysteme mit besserer räumlicher und spektraler Auflösung sowie eine zunehmend bessere Verfügbarkeit schon vorhandener Daten - und die Perspektive, diese Daten in Geo-Informationssystemen bearbeiten, verwalten und übertragen zu müssen, erfordern den Einsatz von Kompressionstechnologien.

In der digitalen Bildverarbeitung steht eine Vielzahl von Verfahren und Algorithmen zur Datenkompression zur Verfügung. Diese finden bisher jedoch kaum Einsatz in geowissenschaftlichen Anwendungen, da sie einerseits in bestehenden Geo-Informationssystemen nicht verfügbar sind und zum anderen Unklarheit über die Qualität der Daten nach einer verlustbehafteten Kompression besteht. Die Diskrepanz zwischen dem weit fortgeschrittenen Forschungsstand der digitalen Bildkompression und der mangelnden Umsetzung in der GIS-Praxis war Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Um GIS-Anwendern die Verwendung von Kompressionsverfahren zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen, müssen

  • unter der Vielzahl der existierenden Kompressionsverfahren geeignete Verfahren ausgewählt und gegebenenfalls modifiziert werden,
  • diese Verfahren in die für Nutzer gewohnte GIS-Umgebung integriert werden,
  • Daten beliebiger Größe und Komplexität inklusive ihrer Annotationen komprimier- und lokal dekomprimierbar sein,
  • Hilfsmittel verfügbar sein, mit denen die Nutzer den gegebenenfalls entstehenden Informationsverlust kontrollieren und beeinflussen können,
  • Verfahren zur Verfügung stehen, um den entstehenden Informationsverlust bewerten zu können und
  • Möglichkeiten aufgezeigt werden, unter welchen Bedingungen die unter Informationsverlust komprimierten Daten weiterverwendet werden können.

Ausgehend von diesen Anforderungen wurde im Rahmen dieser Arbeit ein Kompressionsmodul entwickelt und in ein Raster-GIS integriert. Anschließend wurde untersucht, welche Anwendungsmöglichkeiten sich mit dem Modul bei der Kompression unterschiedlicher Flächendatensätze ergeben. Die in dieser Arbeit erreichten Ziele lassen sich wie folgt in fünf Abschnitte gliedern:

1. Vergleich der verschiedenen Kompressionsverfahren hinsichtlich ihrer Eignung zur Kompression von Fernerkundungsdaten

Verlustfreie Kompressionsverfahren ermöglichen eine Kompression von Fernerkundungsdaten mit durchschnittlichen Raten von nur 1,1:1 bis 2,5:1. Um höhere Kompressionsraten zu erreichen, ist der Einsatz verlustbehafteter Kompressionsverfahren erforderlich. Zu Beginn der Arbeit werden die wichtigsten verlustbehafteten Kompressionsverfahren vorgestellt und es wird ein Literaturüberblick über die zur Zeit in der Fernerkundung getesteten Verfahren gegeben. Zu den gebräuchlichsten verlustbehafteten Kodierern gehören Vektor-Quantisierer, das JPEG-Verfahren und waveletbasierte Kodierer. Für Vetreter aller drei Verfahren sowie für einen fraktalen Kodierer waren Software-Implementationen verfügbar, so daß ein Vergleich der verschiedenen Kompressionsverfahren hinsichtlich ihrer Eignung zur Kompression von Fernerkundungsdaten speziell im Hinblick auf den entstehenden Informationsverlust durchgeführt werden konnte. Die Untersuchungen führten zu folgenden Ergebnissen:

  • Das Standardverfahren in der digitalen Bildverarbeitung zur Bewertung von Kompressionsverfahren besteht in der Auswertung von Rate-Distortion-Kurven. Hinsichtlich dieser Bewertung waren waveletbasierte Verfahren den anderen Kodierern überlegen.
  • Kanten- und Linienstrukturen wurden bei dem Wavelet-Kodierer am besten erhalten.
  • Bei einer visuellen Interpretation des Informationsverlustes und der entstehenden Artefakte zeigten der fraktale Kodierer und der Wavelet-Kodierer die besten Ergebnisse.

2. Entwicklung des Freiburger Kompressionsmoduls FREIKOM zur Kompression von Fernerkundungsdaten

Bei der Entwicklung wurde einerseits von den Anforderungen ausgegangen, die Kompressionsverfahren aus Nutzersicht in einem GIS zu erfüllen haben, und andererseits von den Defiziten der zur Zeit auf dem Markt eingesetzten Komprimierer in Bezug auf die Kompression von Fernerkundungsdaten. Mit der Entwicklung von FREIKOM konnten folgende Erweiterungen der zur Zeit für GIS-Anwendungen nutzbaren Kodierer realisiert werden:

  • Bearbeitung großer Datensätze,
  • Kompression von Multilayer-Daten unter Ausnutzung der Redundanz zwischen den Layern,
  • lokaler Zugriff auf komprimierte Daten in verschiedenen Skalen (Maßstäben),
  • unterschiedliche Kompression der Daten in verschiedenen Bild- und Frequenzbereichen, woraus sich die Möglichkeit ergibt,
  • die Kombination von Kompression und Rauschunterdrückung (insbesondere Speckle-Unterdrückung in SAR-Bildern).

3. Integration von FREIKOM in ein Raster-GIS

Bei der Auswahl eines geeigneten GIS zur Integration von FREIKOM fiel die Entscheidung auf das Raster-GIS ERDAS IMAGINE. In einem Vergleich verschiedener Raster-GIS bot ERDAS IMAGINE die besten Voraussetzungen hinsichtlich einer effektiven Bearbeitung großer Bilddaten und der Integrationsmöglichkeit eigener Applikationen. Die Kernroutinen von FREIKOM wurden in C realisiert, so daß sie von den C-Bibliotheken von ERDAS IMAGINE unabhängig sind

4. Auswirkungen der Wavelet-Kompression auf den Informationsgehalt multispektraler Scannerdaten

Im ersten Anwendungskapitel werden die Auswirkungen der Wavelet-Kompression exemplarisch anhand einer Landsat-TM-Aufnahme des Untersuchungsraumes Freiburg/Brsg. diskutiert. Untersucht wurde, inwieweit die Information, die für die Ableitung einer thematischen Karte der Freiburger Siedlungsstrukturen relevant ist, durch die Kompression unterdrückt oder hervorgehoben wird. Die Auswertungen erfolgten durch visuelle Interpretation, durch Analyse der Kantenerhaltung und durch überwachte Klassifikation. Folgende Ergebnisse konnten herausgearbeitet werden:

  • Eine visuelle Interpretation der Landsat-TM-Szenen nach Kompression mit unterschiedlich hohen Raten zeigte, daß sich bei einer Kompression bis zu einer Rate von 14:1 durch Unterdrü›ckung punktuell hochfrequenter Strukturen (einzelne Pixel mit unterschiedlichen Spektralwerten) einzelne Stadtareale leichter separieren lassen.
  • Maximum-Likelihood-Klassifikationen, die mit den komprimierten Landsat-Szenen durchgeführt wurden, ergaben in Analogie zur visuellen Interpretation bis zur Kompressionsrate von 14:1 ebenfalls eine deutliche Verbesserung gegenüber der aus der Originalszene abgeleitetenKlassifikation.

Aus den Untersuchungen geht hervor, daß eine verlustbehaftete Kompression nicht automatisch zu einem Verlust an geographischer Information führen muß.

5. Auswirkungen unterschiedlicher Wavelet-Kompressionsverfahren auf die Auswertung von SAR-Aufnahmen

Den SAR-Aufnahmen kommt bei der Kompression von Fernerkundungsdaten besondere Bedeutung zu, da durch die Auslöschung einzelner Waveletkoeffizienten während der Quantisierung eine Reduktion des den SAR-Aufnahmen innewohnenden Speckles erreicht werden kann. Folgende Ergebnisse konnten herausgearbeitet werden:

  • Es wurde ein neues Maß zur Bewertung von Speckle-Filtern, nämlich das Maß "Kantenerhaltung versus Speckle-Reduktion" abgeleitet. Die Eignung dieses Maßes wurde anhand einer Bewertung der derzeitigen Standard-Speckle-Reduktionsverfahren und durch einen Vergleich der Ergebnisse mit einer visuellen Interpretation sowie mit anderen Untersuchungen aus der Forschung verifiziert. Der Frost-Filter zeigt bei allen Bewertungen die besten Ergebnisse. Durch geeignete Wahl der Schwellenwerte bei der Anwendung von waveletbasierten Verfahren zur Speckle-Reduktion konnten bezüglich der Speckle-Reduktion Ergebnisse erzielt werden, die der Qualität herkömmlicher Speckle-Filter entsprechen und diese teilweise sogar übertreffen.
  • In Analogie zum ersten Anwendungskapitel wurden zusätzlich die Auswirkungen der entwickelten Verfahren auf die Ergebnisse anschließend durchgeführter Klassifikationen untersucht. Hierzu wurde ein multitemporaler SAR-Datensatz von Freiburg/Brsg. entspeckelt und anschließend klassifiziert. Gleichzeitig konnten die Daten bis zu einer Rate von 10:1 komprimiert werden.

Die beiden Anwendungskapitel zeigen, daß sich die waveletbasierte verlustbehaftete Bildkompression gezielt zur Unterdrückung unerwünschter Bildinhalte (Rauschen, Speckle, Detailstrukturen) einsetzen läßt. Der Speckle-Effekt läßt sich sogar besser reduzieren als mit herkömmlichen Verfahren.

Ein erfolgreicher Einsatz waveletbasierter Kompressionsverfahren läßt sich in dieser Weise jedoch nur unter zwei Voraussetzungen durchführen:

  • GIS-Nutzern muß die Möglichkeit gegeben werden, Waveletkoeffizienten einzelner Bildregionen und Frequenzbänder nach unterschiedlichen Kompressionsschemata anwendungsspezifisch zu komprimieren. (Ein Beispiel hierfür ist das in Kapitel 5 vorgestellte Quantisierungsschema zur Klassifikation von Siedlungsstrukturen. Oder es müssen für unterschiedliche Anwendungen die entsprechend geeigneten Kompressionsschemata zur Verfügung gestellt werden. (Ein Beispiel hierfür ist das in Kapitel 6 vorgestellte adaptive Verfahren zur Speckle-Reduktion.)
  • GIS-Nutzern müssen die nötigen Erkenntnisse nahegebracht werden, damit sie die wavelet-basierten Verfahren in gewinnbringender Weise einsetzen können.

FREIKOM leistet einen ersten Schritt in diese Richtung.