Freiburger Geographische Hefte, Heft 62
Zusammenfassung
Durch die Untersuchung von neun Pollenprofilen aus dem südlichen Oberrheintiefland und dem Schwarzwald, konnten neue Erkenntnisse zur Landschafts- und Vegetationsgeschichte gewonnen werden. Die Landschafts- und Vegetationsgeschichte des südlichen Oberrheintieflands wurde durch ein 14C-datiertes Standardpollendiagramm (Wasenweiler Ried-Ost) erstmals detailliert rekonstruiert. Im Schwarzwald lag der Schwerpunkt der Untersuchungen im Bereich des bisher kaum untersuchten südlichen Westschwarzwalds, wo durch sechs Pollenanalysen neue Ergebnisse zum Verlauf der holozänen Landschafts- und Vegetationsgeschichte erzielt werden konnten. Die Auswertung aller bisher vorliegender Literatur zur Vegetationsgeschichte des Oberrheintieflands, des Schwarzwalds und der Vogesen ermöglichte die Rekonstruktion der spät- und postglazialen Einwanderung und Ausbreitung der wichtigsten Gehölze in diesen Regionen und deren Darstellung in Einwanderungs- und Isopollenkarten. Ein Vergleich der pollenanalytischen Ergebnisse aus dem südlichen Oberrheintiefland und dem Schwarzwald mit den im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Wandel der Geo-Biosphäre in den letzten 15000 Jahren“ erarbeiteten geomorphodynamischen Aktivitäts- und Ruhephasen führte zu einer Synthese von Besiedlungs- und Landschaftsgeschichte. Im folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse dargestellt.
In der Jüngeren Dryas herrschten im südlichen Oberrheintiefland bereits lichte Kiefernwälder vor, in denen auch Birken, sowie Wacholder und vereinzelt die Hasel vertreten waren. Sanddorn war an den Flußufern verbreitet. Im Präboreal zeigte sich ein sehr ähnliches Bild, die Wälder wurden jedoch langsam dichter. Im Boreal kam es zu einer Ausbreitung der Hasel und es wanderten Eiche, Ulme und Linde ein. Die Kiefer wurde dadurch zurückgedrängt. Im Atlantikum breiteten sich haselreiche Eichenmischwälder aus, in denen Eiche und Linde dominierten. Die Kiefer erreichte ihr postglaziales Minimum. Pollen von Cerealia trat erstmals ab 6000 BP (Neolithikum) auf, kontinuierlich ab 3300 BP (Bronzezeit). Ende des Atlantikums wanderten die Buche und die Tanne ein, wobei jedoch beide im Oberrheintiefland nicht zur Massenausbreitung kamen. Die Tanne hat ihre Verbreitungsgebiete in der Vorbergzone, dem Schwarzwald und den Vogesen, und ihr Pollen gelangt durch Fernflug in das Wasenweiler Ried. Die Buche kam aus standörtlichen Gründen (hoher Grundwasserstand im Bereich der Auen, Trockenheit auf der Niederterrasse) nicht zur Ausbreitung. Im Subboreal entwickelte sich ein Erlenbruchwald im Wasenweiler Ried. Große Rodungen führten zur Zurückdrängung des Waldes auf den lößbedeckten Gunstgebieten des südlichen Oberrheintieflands, wodurch die Eichenmischwälder seltener wurden. Im Subatlantikum erfolgten weitere Rodungen und eine Ausweitung des Ackerbaus.
Aufgrund der Dominanz der Kiefer im Holozän und der fehlenden Massenausbreitung der Buche und Tanne ist der Ablauf der Vegetationsgeschichte im Oberrheintiefland nur teilweise mit der „mitteleuropäischen Grundfolge der Waldentwicklung“ (RUDOLPH 1930, FIRBAS 1949) zu parallelisieren. Es liegt hier ein Sonderfall der Vegetationsentwicklung für die warmen Tieflagen Süddeutschlands vor, dessen Ursachen im Klima und in standörtlichen Bedingungen zu finden sind.
Im Schwarzwald ist der Ablauf der Vegetationsgeschichte gut mit der „Grundfolge der mitteleuropäischen Waldentwicklung“ zu parallelisieren. Im Präboreal herrschte im Schwarzwald ein Kiefern-Birkenwald vor, in den die Hasel erfolgreich einwandern konnte und nachfolgend zur Dominanz gelangte. Eiche, Ulme und Linde wanderten langsam ein, und Kiefer und Birke wurden seltener. Im Boreal herrschten Haselwälder mit Anteilen von Kiefer, Eiche und Ulme vor. Ab Mitte des Boreals breiteten sich Linde, Ulme und Eiche weiter aus, und die Kiefer verlor weiter an Bedeutung. Im frühen Atlantikum ging der Haselpollenanteil langsam zurück, da zuerst Ulme, dann Linde und schließlich die Eiche die Waldgesellschaften beherrschten. Im späten Atlantikum wanderten Buche und Tanne ein und kamen im frühen Subboreal zur Massenausbreitung. Vorherrschende Waldgesellschaft war nun der Buchen-Tannenwald, wobei Eiche, Linde und Ulme langsam an Bedeutung verloren. Die Fichte wanderte ab dem Subboreal von der Baar kommend in den zentralen Hochschwarzwald ein und konnte sich danach weiter ausbreiten. Mit dem Beginn des Subatlantikums (Eisen- und Römerzeit) kam es zu den ersten menschlichen Eingriffen in den Wald, was der Buche kurzfristig zur absoluten Herrschaft im Wald verhalf. Auch ist Pollen von Cerealia erstmals vereinzelt seit der Bronzezeit nachweisbar. Durch großflächige Rodungen kam es im Jüngeren Subatlantikum (Mittelalter) zur Zurückdrängung des Waldes und besonders der Buche. Cerealia-Pollen tritt seit dem frühen Mittelalter kontinuierlich auf. Durch neuzeitliche Aufforstungen kam es in den Wäldern zur Zunahme von Fichte, Kiefer und Tanne.
Mit dem Beginn des Ackerbaus und der Seßhaftwerdung des Menschen im Neolithikum veränderte der Mensch im südlichen Oberrheintiefland die Landschaft. Die anthropogenen Eingriffe waren anfänglich punkthaft, weiteten sich infolge der Bevölkerungszunahme jedoch immer weiter aus. Ab dem Endneolithikum begann die Umwandlung der Naturlandschaft in eine Kulturlandschaft.
Im Endneolithikum und in der Frühbronzezeit kam es zu ersten großen Rodungen im südlichen Oberrheintiefland (besonders im Kaiserstuhl und Tuniberg). Höhensiedlungen wurden angelegt, und der Ackerbau (Getreide) führte erstmals zu verstärkter Bodenerosion in den gerodeten Gebieten. Nachfolgend wurden diese Gebiete, möglicherweise auch durch eine Klimaverschlechterung mitverursacht, verlassen. In der späten Bronzezeit und Hallstattzeit bestand eine sehr geringe Bevölkerungsdichte. Es fand eine Wiederbewaldung zahlreicher Gebiete statt, was eine geomorphodynamische Ruhephase bewirkte. In der Latènezeit erfolgten großflächige Rodungen, und Siedlungen entstanden am Hang und im Tal. Ackerbau und Viehwirtschaft waren weit verbreitet. Starke Bodenerosion und Lößabschwemmung waren die Folge. In der Römerzeit kam es zur Intensivierung und Ausweitung des Ackerbaus (vor allem Getreide), und Obst- und Weinanbau wurden eingeführt. Im Kaiserstuhl erfolgten erste Terrassierungen an den Hängen, woraus massive Bodenerosion und Lößabschwemmung resultierten. Die Kaiserstuhltäler wurden mit Schwemmlöß (Kolluvium) verfüllt. Das Klima war warm und trocken („Optimum der Römerzeit“), so daß sich kaum Gerinne bildeten, wo diese noch vorhanden waren, erstickten sie am Überangebot des Hangmaterials. Die charakteristischen Lößsohlentäler entstanden. Nach dem Abzug der Römer und der Alamannischen Landnahme ging die Bevölkerungsdichte stark zurück, doch war das südliche Oberrheintiefland weiterhin besiedelt. Eine Klimaverschlechterung („Pessimum der Völkerwanderungszeit“) bewirkte einen Rückgang des Getreideanbaus, Grünlandwirtschaft war jedoch weiterhin verbreitet. Teilweise erfolgte eine Wiederbewaldung. Im Mittelalter kam es zu erneuten Rodungen, und das gesamte Gebiet wurde intensiv landwirtschaftlich genutzt (Ackerbau, Obst, möglicherweise Wein, Viehwirtschaft). Dies führte zu starker Bodenerosion. Insgesamt sind jedoch die Umweltveränderungen als geringer als im Jungneolithikum und in der Latène- und Römerzeit anzusehen. Das Hochmittelalter war klimatisch als warme Gunstphase („Mittelalterliches Optimum“) ausgeprägt, danach erfolgte eine deutliche Abkühlung und Niederschlagszunahme („Kleine Eiszeit“). Durch die Rebumlegungen seit den 60er Jahren kam es zu sehr starken Veränderungen der Geländeoberfläche im Kaiserstuhl. Die historisch gewachsene Kulturlandschaft wurde dadurch großräumig verändert. Auf den Höhen des Kaiserstuhls wurden Aufforstungen mit Tannen, Douglasien, Buchen und Hainbuchen durchgeführt. Der Weinbau gewann an Bedeutung, Ackerbau und Obstbau gingen zurück. Die höheren Lagen wurden durch die Wälder stabilisiert, in den niedereren Lagen kam es durch die intensivere und mechanisierte Land- und Weinbauwirtschaft zu hoher Bodenerosion. In der Neuzeit wurden Feuchtgebiete, wie z.B. das Wasenweiler Ried, drainiert und in Ackerland bzw. Wiesen umgewandelt.
Im Schwarzwald begannen die menschlichen Eingriffe in den Naturhaushalt viel später als im Jungsiedelland des Oberrheintieflands. Bis zum Subboreal ist der Schwarzwald als vom Menschen unberührte Naturlandschaft anzusehen. Ab dem Neolithikum kam es durch Bergbau zu punkthaften menschlichen Eingriffen im westlichen Südschwarzwald. In der Eisenzeit drangen die Kelten erstmals in die großen westlichen Schwarzwaldtäler vor und rodeten z.B. die Wälder im Zartener Becken. In den Tälern wurde Ackerbau und Grünlandwirtschaft betrieben. Bohnerzvorkommen wurden genutzt und möglicherweise betrieb man auch Bergbau. In der Römerzeit kam es zu einer starken Ausweitung des Bergbaus, und erstmals sind größere Rodungen, besonders der Tanne, nachweisbar. Die Bodenerosion erhöhte sich stark, und Auenlehme wurden von den Flüssen abgelagert. In der Völkerwanderungszeit (Alamannische Landnahme- und Ausbauphase) ging die Bevölkerungsdichte zurück, und es kam zu einer Wiederbewaldung. Die Bergbauaktivitäten wurden reduziert aber nicht völlig aufgegeben. Ab dem 8. Jahrhundert finden sich wieder erste vertärkte menschliche Eingriffe in die Landschaft. Im Zuge der klösterlichen Erschließung des Schwarzwalds kam es nun auch zur Besiedlung der höheren Lagen. Große Rodungen, intensiver Bergbau und eine Ausweitung der Landwirtschaft führten zu einer flächenhaften Waldzerstörung und zu hohen Bodenerosionsraten. Mächtige Auenlehmdecken und Kolluvienlagen waren die Folgen dieser sehr starken menschlichen Einwirkungen auf die Umwelt. In jüngster Zeit ging die Bevölkerung und Landwirtschaft zurück, und es erfolgten Aufforstungen. Der Tourismus (z.B. Skibetrieb) führte jedoch zu neuen Umweltbelastungen und Erosionsschäden. Der Bergbau wurde überwiegend eingestellt, und die Flußauen sicherte man häufig durch Dämme gegen Hochwasser. Ackerbau wurde nun auch in den Auen betrieben. Insgesamt ist jedoch eine rückläufige anthropogene Einwirkung auf die Landschaft festzustellen.