Freiburger Geographische Hefte, Heft 70
Zusammenfassung
Im Zeitalter schnellen Städtewachstums gewinnt urbane und periurbane Landwirtschaft als Überlebenssicherungsstrategie für Millionen von Stadtbewohnern im subsaharischen Afrika zunehmend an Bedeutung. Insbesondere in kleinen und mittelgroßen Städten stellen landwirtschaftlich genutzte Flächen einen integralen Bestandteil des städtischen Raumes dar. Allerdings ist bisher wenig über das tatsächliche räumliche Ausmaß landwirtschaftlicher Produktion in Städten und deren Randgebieten bekannt. Zudem ist weitgehend unklar, wie sich räumliche Parameter dieses komplexen Landnutzungs-musters entlang des Stadt-Land-Kontinuums verändern. Ziel dieser Arbeit war daher, zu einem besseren Verständnis raumzeitlicher Dynamiken urbaner und periurbaner Landwirtschaft entlang des Stadt-Land-Kontinuums – mit besonderem Fokus auf kleinen und mittelgroßen Städten in Afrika – beizutragen.
Im Rahmen dieser Studie wurden zwei Städte als Fallstudien ausgewählt: 1) Moshi, eine Stadt am südlichen Fuße des Kilimandscharo im Norden Tansanias; und 2) Bamenda, die Hauptstadt und größte Siedlung der Nordwest-Region Kameruns. In beiden Städten wurden jeweils vier Transektpolygone – 100 Meter breit und bis zu 15 Kilometer lang – ausgelegt, deren Ursprung im Stadtzentrum lag und die sich bis in das städtische Hinterland erstreckten. Sie bildeten die Grundlage für die Datenerhebung und –analyse. Innerhalb dieser Transekte wurden alle landwirtschaftlich genutzten Flächen kartiert und ein repräsentativer Teil der Haushalte befragt (404 in Moshi und 480 in Bamenda). Zur Vorbereitung der räumlichen Analyse wurden beide Datensätze digitalisiert und georeferenziert. Zur Datenanalyse wurde ein induktiver Ansatz gewählt, somit beruhte die Entwicklung räumlicher Klassifikationen auf den Rohdaten. Basierend auf Gebäudedichte und Reisezeit zum Stadtzentrum wurde ein Urban-Rural Index (URI) errechnet, der als Grundlage für alle räumlichen Analysen diente. Dadurch wurde sichergestellt, dass der Analyseprozess nicht durch die Auswahl konventioneller Kategorien wie ‚urban‘, ‚periurban‘ oder ‚ländlich‘ beeinflusst wurde.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass fast alle landwirtschaftlichen Parameter signifikante Zusammenhänge mit den jeweiligen URI-Werten aufwiesen. Auch wenn die Korrelationen bei den Landnutzungsdaten durchschnittlich stärker waren als bei den Haushaltsdaten, so konnten doch vier charakteristische Muster räumlicher Veränderungen entlang des Kontinuums identifiziert werden. Während Gebäudedichte, der Zugang zu Infrastruktur, wie Strom und Wasser, oder der formelle Besitz von Häusern und Wohnungen mit sinkenden URI-Werten stetig abnahm (Typ A), nahm der Anteil landwirtschaftlich genutzter Fläche, die durchschnittliche Feldgröße und der Anteil landwirtschaftlich tätiger Haushalte zu (Typ B). Auch wenn diese Veränderungen in bisherigen Untersuchungen kaum quantifiziert wurden, so waren die Ergebnisse doch erwartet worden, da die meisten dieser Parameter mehr oder weniger offensichtliche Bestandteile der Definition des Begriffes ‚urban‘ sind. Bei der Betrachtung weiterer Parameter zeigten sich jedoch überraschendere Resultate. Während die Bauaktivität, die Anbaudiversität und die Variabilität der Feldgrößen in den periurbanen Räumen am höchsten waren (Typ C), waren die Werte der Wohndauer und des Landbesitzes in den Übergangsräumen zwischen Stadtzentrum und ländlichem Raum am kleinsten (Typ D).
Die wichtigste Erkenntnis, die aus dieser Arbeit abgeleitet werden kann, ist, dass landwirtschaftliche Parameter eher einen graduellen Verlauf aufweisen – und damit ein Stadt-Land-Kontinuum formen –, als künstliche administrative Grenzen widerzugeben, die dichotomisch zwischen städtischen und ländlichen Bereichen unterscheiden. Es konnte gezeigt werden, dass der periurbane Raum zwischen diesen Extremen durch ganz eigene Charakteristika geprägt ist. Folglich muss der periurbane Raum zukünftig als spezieller Teil des Stadt-Land-Kontinuums betrachtet werden. Dies gilt insbesondere, da diese Bereiche ein großes Konfliktpotential in sich tragen, darüber hinaus jedoch auch nicht zu unterschätzende Möglichkeiten im Hinblick auf eine nachhaltige städtische Entwicklung in der Zukunft bieten.